22.09.2023

Online und vor Ort: 3. Mai 1945

Die Tragödie in der Lübecker Bucht

  • Podiumsdiskussion 20. und 21. Jahrhundert
  • 14:00 Uhr (22.09.) - 17:00 Uhr (22.09.)
  • DHIP

Ein Videomitschnitt der Veranstaltung wurde im Rahmen der Reihe »The Ends of War. Internationale Persepktiven auf den Zweiten Weltkrieg« der Max Weber Stiftung veröffentlich.

» Zum Videomitschnitt


In Zusammenarbeit mit der Union des associations de mémoire des camps nazis (UAMCN)

Am 3. Mai 1945 um 14:30 Uhr sanken in der Lübecker Bucht vor Neustadt drei Schiffe, die von Jagdbombern der britischen Royal Air Force beschossen worden waren. Die Deutschland wurde gerade in ein Lazarettschiff umgebaut. Die Cap Arcona, ein luxuriöses Kreuzfahrtschiff, und der Frachter Thielbeck waren von der SS beschlagnahmt worden, um angesichts des schnellen Vorrückens der britischen Truppen Gefangene aus den Konzentrationslagern zu »evakuieren«. Nur die Athen, ein weiterer von der SS beschlagnahmter Frachter, entging den Bomben.

Auf den Schiffen waren ca. 8.000 Deportierte aus den Lagern Neuengamme bei Hamburg und Stutthof bei Danzig zusammengepfercht, zur Hälfte russische und polnische Kriegsgefangene sowie Deportierte aus 28 Nationen, darunter französische Widerstandskämpfer und Personen, die sich dem Arbeitsdienst STO und der Zwangsarbeit entzogen hatten und in den Untergrund gegangen waren. Etwa 7300 Deportierte und 600 SS-Männer kamen auf der Cap Arcona und der Thielbeck ums Leben. Die Deportierten waren in den Laderäumen der brennenden Schiffe eingeschlossen oder ertranken. Die Überlebenden schwammen in der eiskalten Ostsee und wurden zum Teil von britischen Bordkanonen und zum Teil von der SS und lokalen Einheiten am Strand mit Maschinengewehren erschossen. Nur 314 Deportierte und zwei Besatzungsmitglieder der Cap Arcona und der Thielbeck wurden gerettet. Die 1.998 Deportierten auf der Athen blieben verschont, da das Schiff früh genug die weiße Flagge gehisst hatte.

Die Ereignisse sind aufschlussreich für die Funktionsweise des Systems der Konzentrationslager und ihrer Außenlager bis in die letzten Tage des Krieges. Sie zeugen von dem Willen der SS, sich bis zuletzt die Arbeitskraft der Deportierten zu sichern, sie als Geiseln zu nehmen und als Faustpfand bei möglichen Verhandlungen mit den Westalliierten zu nutzen – wobei sie den Tod der Deportierten im Falle eines Angriffs in Kauf nahmen. Das Massaker an überlebenden Schiffbrüchigen ist typisch für die spezifischen Verbrechen in der Endphase des Krieges, die von der SS und der Wehrmacht, aber auch von Milizeinheiten (»Volkssturm«) und Mitgliedern der Zivilbevölkerung begangen wurden. Schließlich sind die weitgehend ausbleibende Strafverfolgung und die Defizite der Erinnerungsarbeit sprechend für die Haltung der deutschen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Ereignisse und ihr historischer Kontext werden vorgestellt und diskutiert von

  • Christine Eckel, Mitarbeiterin der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, zuständig für die Gedenkstätte »Stadthaus«, den ehemaligen Sitz der Gestapo in Hamburg
  • Lars Hellwinkel, Lehrer und pädagogischer Leiter der Gedenkstätte Lager Sandbostel

Die Podiumsdiskussion wird moderiert von Jürgen Finger, Leiter der Abteilung Zeitgeschichte des Deutschen Historischen Instituts.

Veranstaltung in französischer Sprache.

Anmeldung für eine Teilnahme an der Podiumsdiskussion vor Ort: interamicale1945@gmail.com (bis zum 8. September möglich)

Anmeldung für eine Online-Teilnahme: Zoom
 

Die Union des associations des mémoire des camps nazis (UAMCN) hat die Aufgabe, die Organisationen der französischen Deportierten der verschiedenen deutschen Konzentrationslager zu vernetzen und die Erinnerung durch gemeinsame Aktionen zu übergreifenden Themen lebendig zu halten. Die Union umfasst die Association française Buchenwald, Dora et Kommandos, die Amicale du camp de concentration de Dachau, die Amicale de Mauthausen, déportés, familles et amis, die Amicale de Neuengamme et de ses Kommandos, die Amicale d’Oranienburg-Sachsenhausen et ses kommandos und die Amicale de Ravensbrück et des Kommandos dépendants.

Bildnachweis: Die brennende »Cap Arcona«, 3. Mai 1945. Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, F 1995-1688.